
John McEnroe gehört zu jenen Sportlern, deren Name auch Jahrzehnte nach dem Karriereende sofort Bilder im Kopf erzeugt: krachende Volleys, artistische Stopps – und Wutausbrüche, die in die Tennisgeschichte eingingen. Der New Yorker, geboren 1959 in Wiesbaden, hat den Tennissport mit einer Mischung aus Genie und Rebellion geprägt wie kaum ein Zweiter. Doch was macht der frühere Weltranglistenerste eigentlich heute? Und wie lebt die Ikone abseits des Rampenlichts?
Schon früh galt McEnroe als Wunderkind. Mit 18 sorgte er erstmals für weltweites Aufsehen, als er 1977 in Wimbledon aus dem Nichts das Halbfinale erreichte. Von da an ging alles schnell.
Der Aufstieg eines Ausnahmetalents
McEnroe gewann drei Wimbledon-Titel (1981, 1983, 1984), vier Mal die US Open (1979, 1980, 1981, 1984) und dominierte insbesondere die frühen 1980er Jahre mit seinem unvergleichlichen Spiel: Links, schnell, kreativ, ein Virtuose am Netz.
Sein Stil war so einzigartig wie wirkmächtig. McEnroe machte das Doppelspiel zur Kunstform, gewann neun Grand-Slam-Titel im Doppel und revolutionierte das schnelle Spiel am Netz.
Doch genauso legendär wie seine Erfolge war sein Temperament. Das „You cannot be serious!“ von Wimbledon 1981 gilt bis heute als einer der berühmtesten Ausbrüche der Sportgeschichte – ein Ausdruck seines Perfektionismus, seiner Emotionen, aber auch seiner Unberechenbarkeit.
Dabei war McEnroe nie nur der „Bad Boy“, als den ihn viele sahen. Er war ein Taktiker, ein Denker des Spiels und ein Athlet, der oft unter dem eigenen Anspruch litt. Nach seinem dominanten Jahr 1984 – eine Saison, die viele Experten für eine der besten aller Zeiten halten – verlor McEnroe nach und nach die Motivation. 1992 beendete er schließlich seine Profikarriere.
Zwischen Tennisplatz und Fernsehstudio: Was macht er heute?
Auch wenn McEnroe längst nicht mehr um Titel spielt, hat er das Tennis nie verlassen. Heute ist er einer der wichtigsten Stimmen des Sports – wortwörtlich.
Als TV-Experte für ESPN, die BBC und andere internationale Sender analysiert er die großen Turniere, oft kritisch, immer meinungsstark und mit einem enormen Fachwissen. Seine Kommentare sind unverwechselbar: klar, direkt, manchmal bissig, aber meist treffsicher.
Zudem ist McEnroe seit Jahren als Teamchef beim Laver Cup aktiv. Als Kapitän von Team World führt er jene Mannschaft an, die gegen das von Björn Borg betreute Team Europe antritt – eine moderne Neuauflage der legendären Rivalität der beiden Ikonen. Unter seiner Führung gewann Team World zuletzt erstmals die prestigereiche Veranstaltung, ein Triumph, der McEnroe deutlich anzumerken war.
Daneben tritt er gelegentlich bei Showmatches auf, spielt bei Charity-Turnieren oder gibt Masterclasses. Die Leidenschaft fürs Tennis ist ungebrochen. In Interviews betont er regelmäßig, dass der Sport ihm Struktur, Erfolg und ein Leben voller Möglichkeiten geschenkt habe.
Privatleben zwischen Kunst und Familie
Abseits des Courts lebt McEnroe heute in New York und zeitweise in den Hamptons. Er ist seit 1997 mit der Sängerin und Schauspielerin Patty Smyth verheiratet; gemeinsam haben sie zwei Kinder, McEnroe selbst sechs insgesamt. Sein Familienleben beschreibt er als stabilen Gegenpol zu der Intensität, die ihn als Spieler prägte.
Interessanterweise ist McEnroe auch in der Kunstwelt aktiv. Er sammelt moderne Kunst und betreibt eine eigene Galerie in Manhattan. Die kreative Energie, die sein Spiel einst auszeichnete, scheint sich hier fortzusetzen.
Gelegentlich tritt McEnroe außerdem als Musiker auf – ein Hobby, das er mit ironischem Augenzwinkern, aber durchaus Herzblut betreibt. Dass er dabei nicht das Niveau seiner Tenniskarriere erreicht, sieht er selbst am entspanntesten.
Ein Unikat – damals wie heute
John McEnroe ist einer der seltenen Sportler, deren Präsenz weit über ihre aktive Laufbahn hinaus wirkt. Heute ist er Ratgeber, Kritiker, Mentor und Entertainer in einer Person.
Er lebt ein Leben, das sich um Tennis dreht, ohne dass er selbst noch Schlagwörter liefern muss. Was bleibt, ist seine unverkennbare Energie – und der Eindruck, dass McEnroe noch lange nicht fertig ist mit dem Sport, der ihn zur Legende gemacht hat.

