Beim brasilianischen Traditionsklub Corinthians deutet sich ein tiefgreifender Kurswechsel an. Nach internen Machtverschiebungen und anhaltenden finanziellen Problemen verabschiedet sich der Verein offenbar von einer Führungsstruktur, die stark auf ehemalige Spieler und schützende Figuren setzte. Die Namen Paulinho und Renato Augusto spielen dabei keine Rolle mehr – stattdessen rückt ein nüchterner Manager-Typ in den Vordergrund.
Abschied vom Schutzschild-Prinzip
Rückblickend war die Amtszeit von Fabinho bei Corinthians vor allem durch eines geprägt: kompromisslose Loyalität gegenüber Spielern und Trainerstab. Ob verspätete Zahlungen bei Bildrechten oder disziplinarische Verfehlungen – Fabinho stellte sich schützend vor die Mannschaft. Selbst bei internen Problemen, etwa verspätetem Erscheinen zum Training, konnten Spieler auf seine Rückendeckung zählen.
Auch die Zusammenarbeit mit Trainer Dorival Júnior verlief eng und intensiv. Wünsche des Trainers wurden konsequent umgesetzt, von frühen Reisen bis hin zu striktem Fokus auf den Spielbetrieb. Die enge Abstimmung zwischen sportlicher Leitung und Trainer zeigte zwar Einsatz, offenbarte aber auch ein System, das zunehmend unter Druck geriet.
Große Namen, großes Risiko
Mit Paulinho und Renato Augusto standen zwei starke Persönlichkeiten im Raum, die sportlich wie medial Gewicht mitgebracht hätten. Beide gelten als Identifikationsfiguren, mit tiefer Verbundenheit zum Klub und großer Wirkung nach außen. Doch genau darin lag auch das Risiko: In Zeiten verspäteter Gehaltszahlungen und wachsender Unruhe hätten sie womöglich eher die Spielerseite vertreten als die Vereinsführung.
Diese Sorge wiegt schwer, denn Corinthians kämpft mit einer enormen Schuldenlast von rund 2,6 Milliarden Real. Jede Personalentscheidung steht damit unter finanzieller Beobachtung – und lässt wenig Raum für emotionale Lösungen.
Suche nach einem klassischen Fußballmanager
Intern zeichnet sich deshalb ein klarer Richtungswechsel ab. Gesucht wird kein ehemaliger Star, sondern ein erfahrener, unauffälliger Fußballmanager mit klarer Loyalität zur Vereinsführung. Fabinho, einst von Präsident Augusto Melo installiert, passt nicht mehr in dieses Profil – zumal Melo selbst politisch unter Druck steht.
Mehrere Kandidaten sollen bereits abgesagt haben. Alessandro Brito von Botafogo lehnte ab, ebenso Thiago Scuro, der aktuell bei Monaco arbeitet. Auch Paulo Pelaipe, inzwischen bei Grêmio, entschied sich gegen einen Wechsel.
Bruno Spindel als Favorit
Kurzzeitig wurde auch Marcos Braz gehandelt, zuletzt bei Flamengo aktiv. Seine umstrittene Entscheidung, Dorival Júnior nach einem großen Erfolg im Jahr 2022 zu entlassen, brachte ihm jedoch Kritik ein. Dadurch rückte ein anderer Name zunehmend in den Vordergrund: Bruno Spindel.
Spindel gilt als sachlich, strukturiert und konfliktarm – Eigenschaften, die in der aktuellen Lage gefragt sind. Die Gespräche sollen bereits weit fortgeschritten sein, eine offizielle Verkündung könnte kurzfristig erfolgen. Klar ist: Unter der Führung von Osmar Stabile sollen künftig keine ehemaligen Spieler mehr die Fußballoperationen leiten.
Zwischen Hoffnung und Sorge
Die geplante Neuausrichtung ist längst bis zu den organisierten Fangruppen durchgesickert. Entsprechend gemischt fallen die Reaktionen aus. Einerseits wächst die Hoffnung auf mehr Professionalität und finanzielle Disziplin, andererseits sorgt die hohe Verschuldung weiterhin für Unsicherheit.
Ob der Fokus auf einen klassischen Manager tatsächlich den erhofften Neustart bringt, bleibt offen. Sicher ist nur: Corinthians schlägt ein neues Kapitel auf – mit weniger Emotion, mehr Struktur und einem klaren Blick auf die wirtschaftliche Realität.
