Automatische Abseitserkennung: Funktioniert das wirklich?

Simon Schneider | am: 13.08.25
In der kommenden Saison soll die halbautomatische Abseitserkennung ein wichtiger Faktor werden.

Mit dem Start der neuen Saison hält in der Bundesliga und 2. Liga eine Technologie Einzug, die das Spiel entscheidend beeinflussen könnte: die halbautomatische Abseitserkennung. Sie soll dem Video-Assistenten (VAR) künftig helfen, schneller und präziser über knifflige Situationen zu entscheiden.

Doch die Frage bleibt: Wird das System in der Praxis auch so reibungslos funktionieren, wie es sich der DFB erhofft?

SAOT – Präzision statt Bauchgefühl

Die „Semi-Automated Offside Technology“ (SAOT) basiert auf einem Netzwerk von Spezialkameras, die den exakten Moment des Abspiels sowie die Positionen aller Spieler in Echtzeit erfassen. Auf Basis dieser Daten wird der VAR mit einer grafischen Darstellung unterstützt, die klare Abseits- oder Nicht-Abseits-Entscheidungen ermöglichen soll.

Jochen Drees, fachlicher Leiter des Projekts Videoassistent beim DFB, hatte bereits nach der WM 2022 in Katar angekündigt, dass die Bundesliga diesen Schritt gehen werde. Der Weg dorthin war jedoch länger als geplant. Grund war der auslaufende Vertrag mit Technologiepartner TRACAB – erst nach der Vertragsverlängerung zur Saison 2024/25 startete die konkrete Umsetzung.

„Wir wollten keine Schnellschüsse riskieren“, betont Schiedsrichter-Chef Knut Kircher. Er verweist auf ein gescheitertes Experiment im englischen FA Cup, bei dem ein Defekt die Überprüfung einer Abseitsposition ganze acht Minuten verzögerte. In Deutschland setzte man stattdessen auf gründliche Tests – mit dem Ziel, dass SAOT in der Bundesliga von Beginn an zuverlässig funktioniert.

Mehr Tempo für den VAR

Die Hoffnung der Verantwortlichen: Künftig sollen VAR-Checks bei knappen Abseitsentscheidungen nur noch wenige Sekunden dauern. Anstatt aufwändig Bildmaterial zu sichten, liefert SAOT direkt eine Auswertung. Das soll nicht nur den Spielfluss verbessern, sondern auch die Akzeptanz bei Fans, Spielern und Trainern erhöhen.

Kritiker geben sich allerdings noch vorsichtig. Die Technologie hat sich zwar bei der Klub-WM bewährt, doch die Bundesliga gilt als deutlich anspruchsvoller – allein schon wegen der höheren Geschwindigkeit und Intensität vieler Partien.

Neben SAOT: Neue Regeln und alte Bekannte

Während die halbautomatische Abseitserkennung die Schlagzeilen bestimmt, gibt es auch weitere Änderungen. Die „Acht-Sekunden-Regel“ für Torhüter etwa sorgte gleich am ersten Spieltag für Aufsehen.

Aues Martin Männel war der erste Keeper, der die neue Vorgabe zu spüren bekam – wenn auch ohne Folgen. Statt wie früher nur sechs Sekunden dürfen Torhüter den Ball nun acht Sekunden in der Hand halten, bevor der Gegner einen Eckball zugesprochen bekommt. In der Praxis bleibt das aber ein selten angewandtes Mittel.

Die Ref-Cam wird zum Hingucker

Ein weiteres Highlight für Fans ist die Ref-Cam. Seit Februar 2024 testet die Bundesliga diese Kamera am Schiedsrichter-Headset, künftig soll sie deutlich häufiger zum Einsatz kommen – zwischen 20 und 50 Partien pro Saison sind geplant. Die Perspektive aus Sicht des Unparteiischen soll nicht nur für spektakuläre TV-Bilder sorgen, sondern auch für mehr Verständnis bei Zuschauern.

Neu ist zudem, dass diese Bilder dank einer Regeländerung fast in Echtzeit gezeigt werden dürfen.

Mehr Dialog zwischen Schiris und Teams

Zur neuen Saison gehört auch ein festes Ritual: Rund 70 Minuten vor Anpfiff treffen sich Schiedsrichter, Trainer und Kapitäne zum kurzen Handshake-Dialog. Ziel ist es, gegenseitige Erwartungen abzustimmen und den Ton im Spiel zu verbessern – auch wenn niemand glaubt, dass Kritik dadurch komplett verschwindet.

Dazu kommen regionale Treffen von Schiedsrichtern und Trainern im Workshop-Format, um über Regelauslegungen zu sprechen. Der DFB hofft so, Verständnis füreinander zu schaffen und junge Talente für den Schiedsrichterberuf zu gewinnen.

Die kommenden Monate geben Antworten

Mit SAOT setzt die Bundesliga auf eine Technologie, die das Spiel schneller, fairer und transparenter machen soll. Ob sie hält, was sie verspricht, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen – vor allem bei knappen Abseitsentscheidungen in brisanten Spielen.

Eines ist sicher: Die Schiedsrichter in Deutschlands höchster Spielklasse stehen in dieser Saison so sehr im Fokus wie lange nicht mehr. Und die Fans dürfen gespannt sein, ob Technik und Mensch auf dem Platz wirklich ein perfektes Team bilden.

Simon Schneider Seit etwa 15 Jahren ist Simon im Sportjournalismus aktiv. Seine Karriere begann bei einem Online-Portal und setzte sie anschließend als freiberuflicher Redakteur bei einem großen Sportverlag, der Sport-Revue, fort. Neben seinem umfassenden Fachwissen im Fußballbereich ist er besonders versiert in den Disziplinen Fußball, Esports und Skisport. In seiner aktuellen Position bei der Sp24 hat er sein Themenfeld um Tennis, MMA und Politik erweitert und ist für das aktuelle Nachrichtengeschehen verantwortlich.

Auch in der Redaktion ist Simon als vielseitiger Wett-Experte bekannt, der eine der höchsten Erfolgsquoten aufweist. mehr lesen