
Die UEFA hat nach langem Ringen erstmals zugestimmt, dass reguläre Ligaspiele aus Europa im Ausland stattfinden dürfen. Betroffen sind Partien aus Spanien und Italien: Villarreal gegen den FC Barcelona soll am 20. Dezember 2025 in Miami ausgetragen werden, während AC Mailand und Como Calcio am 6. Februar 2026 in Perth, Australien, aufeinandertreffen.
Offiziell spricht die UEFA von einer „Ausnahmeentscheidung“, die man nur mit Zähneknirschen getroffen habe. Der Dachverband betonte in seiner Erklärung, dass die Zustimmung „unter Vorbehalt“ erfolgt sei und keineswegs als Signal für eine dauerhafte Öffnung verstanden werden dürfe.
Kommerzielle Verlockung und rechtliche Fallstricke
Hinter der Entscheidung steht ein millionenschweres Interesse: Die internationalen Märkte – allen voran Nordamerika und Asien – gelten als Schlüssel zu neuen Einnahmequellen. Mit Spielen im Ausland wollen La Liga und Serie A ihre Marken global stärker verankern und Fans außerhalb Europas direkt ansprechen.
Doch die UEFA warnte, sie sehe „regulatorische Lücken auf globaler Ebene“. Damit spielt sie auf die FIFA an, die eigentlich das Regelwerk für grenzüberschreitende Spielverlagerungen vorgibt. Da dieses Regelwerk aber seit Jahren in Überarbeitung steckt, sah sich die UEFA gezwungen, den Anträgen aus Spanien und Italien zuzustimmen, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden.
FIFA zwischen Anspruch und Realität
Bereits 2019 hatte die US-Agentur Relevent versucht, ein Ligaspiel der spanischen Liga nach Miami zu bringen – damals wurde das Vorhaben von den Verbänden blockiert. Relevent klagte daraufhin kartellrechtlich gegen die FIFA. Um weiteren Rechtsstreit zu vermeiden, versprach die FIFA 2024 neue Regelungen und setzte eine Arbeitsgruppe ein, die Kriterien für solche Auslandsspiele entwickeln sollte.
Bis heute sind diese Regeln jedoch nicht veröffentlicht worden. Genau diese fehlende Klarheit bezeichnet die UEFA nun als „regulatorische Lücke“. Solange die FIFA untätig bleibt, entsteht ein juristisches Vakuum, das Ligen wie La Liga und Serie A nun ausnutzen.
Machtkampf zwischen UEFA und FIFA
Hinter dem formalen Streit um Regularien steht ein größerer Konflikt: Wer kontrolliert den internationalen Spielkalender?
DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig sprach im Interview mit der Sportschau von einem „Kräftemessen um Zuständigkeiten“. Die FIFA dränge seit Jahren auf mehr globalisierte Wettbewerbe, während die UEFA nationale Strukturen und Traditionen schützen wolle.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin betonte nach der Entscheidung, man dürfe die Genehmigung der beiden Spiele nicht als Präzedenzfall verstehen. „Unser Ziel bleibt, die Integrität der nationalen Ligen zu bewahren und sicherzustellen, dass der Fußball in seiner Heimat verwurzelt bleibt“, erklärte Ceferin. Die UEFA werde die Arbeit der FIFA bei der Entwicklung neuer Regeln „aktiv begleiten“, um die Bindung zwischen Klubs, Fans und lokalen Gemeinschaften zu sichern.
Fans und Politik schlagen Alarm
Das europäische Fanbündnis Football Supporters Europe (FSE) reagierte empört auf die Entscheidung. In einer Stellungnahme hieß es, La Liga und Serie A riskierten „den langfristigen Schaden für die europäische Fußballkultur“. Die Verbände sollten ihre Pläne zurückziehen und die Spiele „dort austragen, wo sie hingehören – in ihren Heimatländern“.
Auch aus der Politik kommt scharfe Kritik. EU-Sportkommissar Glenn Micallef bezeichnete den Export von Ligaspielen als „Verrat am europäischen Sportmodell“. Die Fans hätten das Recht, ihre Vereine in den heimischen Stadien zu erleben, sagte Micallef. Die Ligen hätten „noch Zeit, das Richtige zu tun und auf ihre Anhänger zu hören“.
EU-Parlament pocht auf das europäische Sportmodell
Das Thema ist längst in Brüssel angekommen. Das Europäische Parlament berät derzeit über eine Resolution, die das sogenannte „europäische Sportmodell“ stärken soll. Darin wird betont, dass nationale Wettbewerbe grundsätzlich in ihren Ländern stattfinden sollen – ein klarer Fingerzeig an UEFA und FIFA.
Diese Haltung erinnert an den politischen Schulterschluss gegen die Super League im Jahr 2021. Damals stellten sich die EU-Institutionen geschlossen hinter die UEFA, um das pyramidenförmige System des europäischen Fußballs zu verteidigen. Ein erneuter Bruch mit dem EU-Parlament würde die Position der UEFA empfindlich schwächen.
Deutschland bleibt bei seiner Linie
Während Spanien und Italien experimentieren, erteilt Deutschland solchen Ideen eine klare Absage. DFL-Chef Hans-Joachim Watzke, zugleich UEFA-Vizepräsident, stellte klar, dass Pflichtspiele deutscher Klubs im Ausland „unter seiner Verantwortung ausgeschlossen“ seien. Auch für den Supercup, dessen Regelwerk theoretisch Auslandsauftritte erlaubt, bleibt die DFL bei dieser Linie.
Ein Balanceakt zwischen Tradition und Globalisierung
Die Entscheidung der UEFA markiert einen Wendepunkt im europäischen Fußball – und zugleich einen Balanceakt. Einerseits drängen wirtschaftliche Interessen und die Globalisierung den Sport in neue Märkte, andererseits drohen Identität und Fankultur zu erodieren.
Solange die FIFA keine klaren Regeln schafft, bleibt die Tür für weitere Auslandsprojekte zumindest einen Spalt breit offen. Doch eines ist klar: Der Kampf um die Seele des europäischen Fußballs hat gerade erst begonnen.