
Für Luxemburgs Nationaltrainer Jeff Strasser ist das WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland weit mehr als nur ein Fußballabend. Es ist die größte Herausforderung seiner Amtszeit – und gleichzeitig die Gelegenheit, zu zeigen, dass selbst kleine Nationen gegen Giganten Nadelstiche setzen können. “Wir wissen, dass Deutschland in Ballbesitz und im Pressing überragend ist”, sagt der ehemalige Bundesliga-Profi, “aber wenn man es schafft, ihr Pressing zu umspielen, ergeben sich Räume, die man nutzen kann.”
Der 51-Jährige spricht gelassen, aber mit Überzeugung. Luxemburg, in der Weltrangliste auf Platz 96 geführt, reist als klarer Außenseiter nach Sinsheim.
Doch Strasser, der auf eine beachtliche Bundesliga-Vergangenheit bei Kaiserslautern und Mönchengladbach zurückblickt, weiß, dass seine Mannschaft nur mit Mut und Geschlossenheit bestehen kann. “Deutschland ist mit Stars gespickt”, erklärt er, “von Kimmich über Gnabry bis Adeyemi – das ist pure Weltklasse.”
Strasser und Nagelsmann waren “Klassenkameraden”
Besonders spannend wird das Duell für Strasser auch persönlich: Auf der gegnerischen Trainerbank sitzt Julian Nagelsmann – ein alter Bekannter aus dem Fußballlehrer-Lehrgang 2015/16. Strasser erinnert sich an die gemeinsame Zeit: „Julian war schon damals sehr analytisch, immer offen für neue Ideen. Fachlich zählt er zu den besten Trainern, die ich kenne.“
Trotz aller Sympathie ist für Strasser klar, dass an diesem Freitagabend keine Geschenke verteilt werden. Seine Mannschaft will mutig auftreten, sich nicht verstecken und den Deutschen das Leben so schwer wie möglich machen.
Deutsche Sorgen statt Vorfreude
Während Luxemburg befreit aufspielen kann, herrscht im deutschen Lager Anspannung. Bundestrainer Julian Nagelsmann beobachtete die Trainingseinheit in Herzogenaurach mit ernster Miene und tief in den Taschen vergrabenen Händen. Die vielen Baustellen in seinem Team lassen ihm wenig Spielraum.
Matthias Sammer, einst sportlicher Berater des DFB, brachte es bei Sky auf den Punkt: „Nagelsmann sucht nach der Balance und Stabilität. Er muss der Mannschaft jetzt Vertrauen und Kontinuität geben.“ Doch davon war zuletzt wenig zu sehen. Verletzungen, Systemwechsel und eine teils verwirrende Rotation haben die deutsche Elf aus dem Tritt gebracht.
Taktische Unsicherheit und verletzte Stars
Nach dem durchwachsenen Start in die Qualifikation sprach Nagelsmann selbst von einer „instabilen Situation“. Tatsächlich hat er das taktische Korsett immer wieder verändert – mal mit Vierer-, mal mit Dreierkette. Ein klarer Plan ist kaum erkennbar. Und das acht Monate vor der XXL-WM in den USA, Mexiko und Kanada.
Die Liste der Ausfälle ist lang: Ter Stegen, Rüdiger, Havertz, Musiala und Kleindienst fehlen verletzt. Auch Offensivhoffnung Nick Woltemade war angeschlagen, wurde aber noch nachnominiert. „Wir müssen als Mannschaft enger zusammenrücken und die verbleibende Zeit nutzen, um uns zu finden“, mahnte Verteidiger David Raum.
Selten war eine Nationalmannschaft so unerfahren
Nagelsmann steht vor ungelösten Problemen: Wer soll neben Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld die Fäden ziehen? Wer stabilisiert die wackelige Abwehr? Und wann findet sich endlich eine eingespielte Achse? Der Bundestrainer wirkt derzeit wie ein Tüftler, der viele Ansätze ausprobiert, aber noch keine Antwort gefunden hat.
Auch die fehlende Erfahrung seiner Spieler macht sich bemerkbar: Von den 26 Nominierten haben 17 weniger als zehn Länderspiele absolviert. Philipp Lahm, Weltmeister von 2014, kritisierte zuletzt, die Entwicklung der Nationalmannschaft „hinke etwas hinterher“, mahnte aber zugleich, „positiv auf die kommenden Spiele zu schauen“.
Ein Sieg gegen Luxemburg ist absolute Pflicht
Nach der ernüchternden 0:2-Pleite in der Slowakei steht die DFB-Elf unter Druck. Gegen Luxemburg ist ein Sieg Pflicht – alles andere wäre eine Blamage. Doch Nagelsmann betont, man müsse „mehr handeln als reden“ und endlich wieder eine Siegermentalität entwickeln.
Luxemburg dagegen reist ohne Druck an. Strasser formuliert es vorsichtig, aber mit einem Hauch Optimismus: „Wenn man gegen solch einen Gegner etwas mitnimmt, ist das ein Bonus. Aber im Fußball ist nichts unmöglich.“
Die Rollen vor dem Anpfiff in Sinsheim könnten klarer kaum verteilt sein – und doch liegt genau darin der Reiz dieses Duells. Während Deutschland nach Stabilität und Richtung sucht, will Luxemburg mit Leidenschaft und Disziplin Geschichte schreiben.