Die deutsche Nationalmannschaft startet in die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 – und die Ansprüche könnten kaum höher sein. Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sportdirektor Rudi Völler haben das Ziel klar formuliert: Am Ende soll der WM-Pokal in den Händen von Joshua Kimmich und Co. glänzen.
Julian Nagelsmann scheut keine großen Worte. Vor dem Auftaktspiel am Donnerstagabend in Bratislava gegen die Slowakei sprach der Bundestrainer davon, dass es „völlig normal“ sei, den WM-Titel als Ziel auszugeben. Arroganz oder Überheblichkeit will er darin nicht sehen. Für ihn steht fest: Wer mit voller Überzeugung antritt, darf auch den größten aller Träume anpeilen.
Der Weg zum ersehnten fünften Stern ist allerdings weit. Gespielt wird in drei Ländern – den USA, Mexiko und Kanada – bei einem Turnier, das größer und unberechenbarer sein wird als jemals zuvor. Doch im DFB-Lager herrscht Einigkeit: Wer bei der Heim-EM 2024 den Glauben an die eigene Stärke wiedergefunden hat, darf nun auch vom großen Triumph in New Jersey träumen.
Völler mahnt zur Geduld
Rudi Völler formulierte das Ziel weniger pathetisch, aber genauso klar. „Wir wollen im kommenden Jahr eine richtig starke Rolle spielen“, betonte der Sportdirektor vor der Mannschaft, „und am liebsten natürlich ganz oben auf dem Podium stehen.“
Gleichzeitig erinnerte er an die erste Etappe: Die Pflicht, sich zunächst in der Gruppe mit Slowakei, Nordirland und Luxemburg zu qualifizieren. „Schritt für Schritt“, so Völler, „alles andere kommt danach.“
Nagelsmann verlangt absolute Hingabe
Für Nagelsmann zählt vor allem die innere Haltung. „Von jedem Einzelnen erwarte ich totale Überzeugung und hundertprozentiges Commitment“, machte er seinen Spielern in Herzogenaurach unmissverständlich klar. Zwei Trainingseinheiten und eine klare Ansprache reichten, um die Botschaft zu platzieren: Wer glaubt, erst bei der WM im Sommer 2026 den Schalter umlegen zu können, der liegt falsch.
„Die Grundlage wird schon in Bratislava oder in Luxemburg gelegt“, erklärte der Bundestrainer. Dabei fordert er eine dominante Spielweise. Spiele, die man glücklich über die Zeit bringt, will er nicht sehen. Stattdessen soll die Mannschaft durch Stabilität und Struktur überzeugen – getragen von klassischen deutschen Tugenden.
Lehren aus der Nations-League-Pleite
Die Niederlagen gegen Portugal und Frankreich beim Final Four der Nations League waren für Nagelsmann ein Warnsignal. Gemeinsam mit seinem Trainerstab entwickelte er im Allgäu eine „neue Ordnung“.
Herzstück dieser Ausrichtung: Joshua Kimmich rückt dauerhaft ins zentrale Mittelfeld zurück. Für Nagelsmann ist der Bayern-Kapitän dort der Schlüsselspieler, der Tempo und Kontrolle ins deutsche Spiel bringt.
Auch die Abwehr wird neu gedacht. Nagelsmann sprach zuletzt auffallend oft von einer stabilen Viererkette, wie sie Deutschland schon 2014 den WM-Titel beschert hatte.
Personalsorgen zum Auftakt
Gleich im ersten Qualifikationsspiel muss Nagelsmann jedoch improvisieren. Während Abwehrchef Antonio Rüdiger zurückkehrt, fällt Nico Schlotterbeck verletzt aus. Dadurch erhält Neuling Nnamdi Collins die Chance auf ein Debüt – und muss sich sofort beweisen. Im Tor ersetzt Oliver Baumann weiterhin den angeschlagenen Marc-André ter Stegen, der jedoch fest als Nummer eins für die WM eingeplant ist.
Auch in der Offensive fehlen wichtige Spieler: Jamal Musiala, Kai Havertz und Tim Kleindienst stehen nicht zur Verfügung. Die Wunsch-Elf bleibt vorerst Theorie.
Der enge Fahrplan bis zur Auslosung
Bis zur WM-Auslosung im Dezember bleibt dem Bundestrainer wenig Zeit. Sechs Qualifikationsspiele bis November, dazu vier Testpartien im kommenden Jahr – dann muss das Gerüst stehen. „Wir wollen in jedem Spiel Dominanz zeigen, den Gegner nie glauben lassen, er hätte eine Chance“, erklärte Karim Adeyemi stellvertretend für die Mannschaft.
Gerade das erste Spiel gegen die Slowakei gilt als Stolperstein. Innenverteidiger Jonathan Tah erwartet „ein intensives Duell gegen eine Mannschaft mit viel internationaler Erfahrung“.
Tah fordert klare Linie
Für Tah sind keine revolutionären Veränderungen nötig, sondern Feinschliff. „Es geht um Details, um Kleinigkeiten, die wir sofort umsetzen müssen“, sagte der Leverkusener Abwehrspieler. Wichtig sei vor allem, die eigenen Prinzipien durchzuziehen – unabhängig vom Personal. „Wir wollen bestimmen, was auf dem Platz passiert.“
Kimmich als Motor im Zentrum
Besondere Aufmerksamkeit gilt Joshua Kimmich. Unter Nagelsmann kehrt er endgültig auf die Sechser-Position zurück. Für den Bundestrainer ist er dort unverzichtbar: ein Taktgeber, der das Tempo steuern kann und als Führungsspieler Ruhe ausstrahlt. „In der Zentrale hat er den größten Einfluss auf unser Spiel“, erklärte Nagelsmann.
Auch die Mitspieler sind überzeugt. Tah lobte Kimmichs Fähigkeit, das Spiel zu lenken und zu stabilisieren. Karim Adeyemi nannte ihn „einen Spieler, der Verantwortung übernimmt und uns in schwierigen Momenten Halt gibt“.
Suche nach dem Partner neben Kimmich
Die Frage bleibt, wer Kimmich im Mittelfeld unterstützt. Naheliegend ist sein Münchner Teamkollege Leon Goretzka, während Pascal Groß und Angelo Stiller als Alternativen gelten. Robert Andrich sieht Nagelsmann derzeit eher in der Abwehr. Junge Spieler wie Aleksandar Pavlovic oder Felix Nmecha müssen sich noch gedulden.
Auf der rechten Abwehrseite könnten neben Collins künftig weitere Kandidaten eine Rolle spielen. Nagelsmann deutete an, dass es dort neue Optionen geben wird, die in sein System passen.
Auftakt zum großen Ziel: der WM-Titel 2026
Am Donnerstagabend beginnt die lange Reise, die am Ende den WM-Titel 2026 als Schlusspunkt haben soll. Im Narodny-Futbalovy-Stadion in Bratislava soll der erste Schritt gemacht werden. Noch sind viele Fragen offen – doch eines ist klar: Deutschland hat wieder den Anspruch, die Fußballwelt zu erobern.
Julian Nagelsmann hat seinen Spielern die Richtung vorgegeben: kompromisslos, stabil und mit dem festen Glauben an den ganz großen Erfolg. Der „American Dream“ ist gestartet – jetzt müssen Taten folgen.