DFB-Team: Wie verläuft der Umbruch nach dem historischen WM-Aus?

Toni Kroos
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Das historische Vorrunden-Aus bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland wird den deutschen Fußball und vor allem die (sportlichen) Verantwortlichen beim DFB längere Zeit beeinflussen. Neben der offenen Zukunft von Bundestrainer Joachim Löw, steht auch hinter vielen Nationalspieler ein großes Fragezeichen. Nach dem Titelgewinn 2014 haben sich Spieler wie Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker auf dem Höhepunkt ihrer Nationalmannschafts-Karriere verabschiedet, Spielern wie Sami Khedira, Mario Gomez und Toni Kroos droht nun ein deutlich anderes Ende im DFB-Trikot.

Mats Hummels hat es unmittelbar nach der bitteren 0:2-Niederlage gegen Südkorea und dem vorzeitigen WM-Aus direkt auf dem Spielfeld beim ersten Interview angedeutet, der deutsche Fußball und allen voran der DFB wird sich in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten hinterfragen müssen. Kein Spieler und kein Verantwortlicher sei davon ausgenommen so Hummels, auch er selbst nicht.

Bereits einen Tag nach dem historischen Ausscheiden gibt es bereits zahlreiche Fragen und Diskussionen rund um die DFB-Elf. Im Mittelpunkt dabei steht immer wieder die Frage nach dem Umbruch, braucht die deutsche Nationalmannschaft nach den Geschehnissen in Russland einen Umbruch? Wenn ja, wie soll dieser ausfallen? Eine entscheidende Rolle wie der Umbruch aussehen wird spielt Bundestrainer Joachim Löw. Erst vor wenigen Wochen hat der DFB den Vertrag mit Löw bis zur WM 2022 in Katar verlängert. Niemand hatte damals auch nur eine Sekunde daran gedacht, dass der amtierende Weltmeister bereits in der Vorrunden ausscheiden wird. Wie es mit Löw nach der WM 2018 weitergeht ist derzeit vollkommen offen.

Grindel deutet keine schnelle Entscheidung in Sachen Joachim Löw an

Während viele Fans und Experten nach 12 Jahren ein Ende der Ära Löw auf der deutschen Trainerbank fordern, hat DFB-Präsident Reinhard Grindel betont, dass es keine Schnellschüsse diesbezüglich geben wird: “Ich habe gestern Abend mit Jogi Löw gesprochen. Wir sind so verblieben, dass wir in den nächsten Tagen besprechen, wie es weitergeht.” Löw selbst wollte sich nach dem Südkorea-Spiel nicht zu seiner Zukunft äußern und bat um Bedenkzeit um das Ganze in Ruhe zu verarbeiten: “Es ist zu früh für mich, die Frage zu beantworten, jetzt brauchen wir ein paar Stunden, um klarzusehen.” Löw betonte jedoch auch, dass er die Verantwortung für das Abschneiden der Mannschaft trägt: “Ich habe die Verantwortung und stehe auch dazu.”

Laut Oliver Bierhoff fängt der Prozess der Aufbereitung erst an, ein Aus von Löw hält Bierhoff jedoch für unwahrscheinlich: “Dafür haben wir die sportliche Leitung. Die werden uns das erklären müssen, und dann werden wir Konsequenzen ziehen. Ich gehe fest davon aus, dass Jogi weitermacht.” Bierhoff weiß jedoch genau, dass ein Rücktritt von Löw auch den Druck auf ihn als Team-Manager erhöhen würde. Auch Bierhoff steht seit geraumer Zeit in der Kritik von Fans und Experten, die den Europameister von 1996 dafür verantwortlich machen, dass die Nationalmannschaft unter seiner Führung zu einem “Marketinginstrument” verkommen ist.

Sami Khedira: Führungsspieler sind nun gefragt

Nicht alle DFB-Spieler wollten nach dem bitteren Aus und der herben Enttäuschung vor die TV-Kameras treten. Neben Mats Hummels und Kapitän Manuel Neuer traute sich jedoch auch Sami Khedira an Mikrofon. Der defensive Mittelfeldspieler von Juventus Turin hat eine sehr durchwachsene WM gespielt. Kurioserweise galt genau Khedira, neben Kroos, Müller und Neuer, zu jenen erfahrenen Spielern und Leadern dieser deutschen Mannschaft.

Der 31-jährige betonte, dass nun alle Spieler gefragt sind, allen voran die sog. Führungsspieler: “Die letzten zehn Jahre waren sensationell. Dass da mal ein Schiffbruch kommt, war klar. Wir haben das ehrlich analysiert. Der Anspruch von dieser Mannschaft war nicht, 2:1 gegen Saudi-Arabien zu gewinnen oder gegen Österreich zu gewinnen. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, als komplettes Team. Die Führungsspieler müssen da als erstes an die eigene Nase fassen.”

Auch Manuel Neuer fand harte aber zu gleich klare Worte für das Abschneiden der DFB-Elf: “Wir sind dafür verantwortlich. Das ist erbärmlich. Wir wissen, wie schön das ist, bei einer Weltmeisterschaft Fußball zu spielen. Man wartet vier Jahre darauf. Wir haben hier die Möglichkeit gehabt, Geschichte zu schreiben. Das haben wir nicht angenommen. Das ist der ausschlaggebende Punkt, dass das nicht auf dem Platz gebracht wurde. Das ist sehr bitter und wirklich enttäuschend.”

Wer geht, wer kommt?

Neben Joachim Löw (und Oliver Bierhoff) gibt es auch bei vielen deutschen Nationalspielern ein großes Fragezeichen wie es nach der WM weitergeht. Für den einen oder anderen dürfte die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland vermutlich das letzte große internationale Turnier gewesen sein. Insgesamt 9 Weltmeister von 2014 waren in Russland noch mit an Board, besonders diese stehen nun unter einem gewissen Druck sich zu beweisen bzw. auch über ihre Zukunft zu äußern. Mit 32 Jahren ist Mario Gomez, gemeinsam mit Neuer, der älteste deutsche Spieler im WM-Kader. Der einstige Top-Torjäger galt schon vor der WM als Wackelkandidat und dürfte in Zukunft, unabhängig wer auf der Trainerbank sitzen wird, keine Rolle mehr spielen. Auch Sami Khedira ist mit 31 Jahren nicht der jüngste, zudem hat der Ex-Stuttgarter alles andere als Argumente gesammelt auch in Zukunft das DFB-Trikot tragen zu dürfen. Ein Abschied von Khedira und Gomez, ob freiwillig oder nicht, ist sehr wahrscheinlich.

Zudem gibt es eine Vielzahl an Spielern die Ende 20 sind und ebenfalls auf der Kippe stehen. Mesut Özil ist unter anderem genau solch ein Kandidat. Der 29-jährige Profi vom FC Arsenal hat sich durch den Eklat rund um das Erdogan-Foto quasi selbst ins Abseits bei den deutschen Fans geschossen. Gegen Mexiko wurde Özil für das Sinnbild der deutschen Krise gemacht, gegen Südkorea hingegen war der Mittelfeldspieler einer der besten deutschen Akteure. Es wird spannend zu sehen ob Özil selbst überhaupt noch Lust hat auf den Spießroutenlauf, der ihn vermutlich auch zukünftig erwarten wird.

Auch für einen Toni Kroos, der vor wenigen Wochen seinen dritten CL-Titel in Folge gewonnen hat, und damit einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten ist, könnte das Kapitel Nationalmannschaft in absehbarer Zeit beendet sein. Kroos selbst wollte sich nach dem WM-Aus dazu nicht konkret äußern, einen Rücktritt schloss dieser jedoch, anders als z.B. Manuel Neuer, auch nicht explizit aus. Fußballerisch ist Kroos auf seiner Position sicherlich mit das beste was Deutschland aktuell zu bieten hat, dennoch gibt es viele vielversprechende Talente im zentralen Mittelfeld, für die Kroos nun den Weg frei machen könnte.

Auch der Bayern-Block rund um Jerome Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels ist vor dem Hintergrund des relativ hohen Alters, aber auch aufgrund der Leistungskurve in den letzten Monaten sicherlich nicht mehr so fest im Sattel wie das noch vor 1-2 Jahren der Fall war.