H96-Trainer Breitenreiter versucht, Euphorie in Hannover zu bremsen

Martin Kind
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Die starke Vorbereitung von Hannover 96 scheint deren Präsidenten Martin Kind etwas zu Kopf gestiegen zu sein. Aus den ersten fünf Saisonspielen, so errechnet der starke, von den eigenen Fans aber auch sehr kontrovers gesehene, Mann von H96, sollten schon elf Punkte herausspringen. Das heißt, die Roten müssten mit drei Siegen, zwei Unentschieden, null Niederlagen in die Saison starten. Andre Breitenreiter war ob so viel Euphorie bemüht, die Erwartungshaltung wieder in realistischere Bahnen zu lenken. 

Schließlich wartet zum Auftakt alles andere als Laufkundschaft. Im ersten Saisonspiel trifft H96 auf den Nordrivalen Werder Bremen, die sich ihrerseits das ehrgeizige Ziel Europacup gesetzt haben. Dann kommt der BVB nach Niedersachsen, die unter Lucien Favre wieder ganz oben angreifen wollen. Anschließend warten die immer extrem ehrgeizigen und talentierten Leipziger. Am dritten Spieltag geht es gegen den heißen und von der Aufstiegseuphorie, falls die bis dahin noch nicht verpufft ist, getragenen 1. FC Nürnberg. Zum Abschluss des Fünf- Spiele- Plans von Martin Kind geht es gegen Champions League- Teilnehmer Hoffenheim. Dort will Noch- Trainer Julian Nagelsmann in seinem letzten Jahr die Erfolgsgeschichte fortschreiben. Drei Siege, zwei Remis in diesen fünf Partien scheinen zumindest im Vorfeld etwas zu hoch gestapelt, auch wenn H96 gerade im ersten Pflichtspiel der Saison, der Erstrunden- Partie im DFB- Pokal gegen den Karlsruher SC vollauf überzeugte und mit 6:0 gewann.

So freut sich Hannovers Trainer Andre Breitenreiter über die entstandene Euphorie. Doch seinen realistischen Blick will er dabei vernünftigerweise nicht aufgeben. “Ich finde es richtig super, dass wir in der Vorbereitung so überzeugt und dem Präsidenten eine Euphoriewelle verschafft haben”, meint Breitenreiter, “das ist absolut positiv. Dennoch sind wir dafür da, die Situation realistisch einzuschätzen. Wir wissen schon, auf wen wir in den ersten Wochen treffen.”

Breitenreiter will Ende der Transferperiode abwarten, um Ziele auszugeben

Die Diskussion um Saisonziele und Vorgaben kommt für Andre Breitenreiter generell noch zu früh. Schließlich weiß der Fußballlehrer ja noch nicht einmal, welchen Kader er schlussendlich zur Verfügung hat, um diese gesteckten Ziele dann zu erreichen. Denn die Transferperiode dauert noch bis zum 31. August an. Und Wünsche hat der Trainer für seinen Kader auch noch. Ein Innenverteidiger sowie ein Mann für die offensiven Außen sollten es schon noch sein. “Wenn die Transferperiode vorbei ist, macht es Sinn, abschließend die Zielsetzung auszugeben. Wenn wir wissen, welcher Kader uns zur Verfügung steht.” Grundsätzlich richtet Breitenreiter den Blick eher nach unten. “Wir haben auch, etwa als es um meine Vertragsverlängerung ging, Perspektiven ausgelotet und der Präsident hat mir gegenüber ganz klar kommuniziert: Wir sind in der Tabelle der Möglichkeiten und des Geldes auf Platz 16. Nur die beiden Aufsteiger sind hinter uns.”

Ins selbe Horn stößt der Manager von Hannover 96 Horst Heldt, der zwar schelmisch posaunt: “Im Grunde nehme ich mir vor, diese Saison deutscher Meister zu werden und den Pokal zu gewinnen. Das ist schon mein Ziel.” Doch nach diesem Zeichen großen Ehrgeizes zum Saisonstart relativiert auch Heldt und blickt auf ernsthafter zu verfolgende Ziele. “Realistisch gesehen wären wir aber alle sehr zufrieden und mehr als glücklich, wenn wir eine ähnliche Saison spielen wie wir sie im letzten Jahr gespielt haben.” In der letzten Saison schwebte Hannover 96 zu keiner Zeit ernsthaft in Abstiegsgefahr und beendete die Spielzeit als Aufsteiger auf einem respektablen 13. Platz.

Suche nach Verstärkungen für H96 gestaltet sich schwierig

Gerade auf der Innenverteidiger- Position drückt der Schuh nach dem Kreuzbandriss von Timo Hübers und den langwierigen Muskelproblemen von Felipe. Mit Waldemar Anton, Kevin Wimmer und Josip Elez stehen aktuell nur drei fitte zentrale Verteidiger in Hannovers Kader. Wunschkandidat für diese Position ist der frühere Nürnberger und Wolfsburger Timm Klose von Norwich City. Doch das Preisschild für den Schweizer beträgt momentan noch 3,3 Mio. Euro. Zu viel für Hannover. “Wir alle haben Wunschvorstellungen, aber nicht die finanziellen Ressourcen. Sie sind beschränkt. Wir haben auch kein Festgeldkonto.” Das Geld, das Hannover durch Spielerverkäufe eingenommen hat, ist praktisch aufgebraucht. “Wir haben das Geld nahezu ausgegeben, das wir eingenommen haben. Andere Vereine um uns herum haben mehr ausgegeben, als sie eingenommen haben. Wir tun das nicht.” Diese wirtschaftliche Vernunft bremst Hannover. Dennoch wird erwartet, dass der neue Innenverteidiger in der kommenden Woche noch präsentiert werden kann.

Unkomplizierter könnte sich noch etwas auf der Abgaben- Seite tun. Denn Mike-Steven Bähre liegt ein Angebot des englischen Drittligisten FC Barnsley, das vom früheren Hannoveraner Coach Daniel Stendel trainiert wird, vor. “Es gibt Interesse und wir führen Gespräche”, bestätigt Heldt. Es könnte auf ein Leihgeschäft hinauslaufen, das in England für Vereine der 2. und 3. Liga trotz des bereits geschlossenen Transferfensters noch erlaubt wäre. Bähre selbst soll aber noch nicht endgültig entschieden haben, ob er einen weiteren Anlauf nimmt und versucht sich in Hannover durchzusetzen oder, ob er sich erneut ausleihen lässt. Die vergangene Saison verbrachte der offensive Mittelfeldspieler auf Leihbasis beim Drittligisten SV Meppen.