
Julian Nagelsmann hat beim internationalen Trainerkongress in Leipzig mit bemerkenswerter Offenheit über seine Pläne für die Nationalmannschaft gesprochen. Im Zentrum der Aussagen: Joshua Kimmich, Marc-André ter Stegen – und eine überraschende Rückkehr zu defensiveren Tugenden.
Als Gastredner des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer kehrte Julian Nagelsmann am Mittwoch an einen vertrauten Ort zurück: Leipzig. Dort erinnerte er an seinen Abschied im Sommer 2021 – und räumte ein, dass dieser vielleicht zu früh erfolgt sei.
„Es war keine falsche Entscheidung, aber zu einem Zeitpunkt, der im Nachhinein betrachtet vielleicht zu früh kam“, so der Bundestrainer mit einem Hauch Selbstkritik in der Stimme. Seine Worte sorgten für aufmerksame Blicke im vollbesetzten Kongress-Saal des Leipziger Zoos.
Kaderplanung für die WM 2026 steht weitgehend
Der Blick des Bundestrainers richtet sich klar nach vorn: „Der Kader für die WM ist in groben Zügen fix“, erklärte Nagelsmann – trotz der noch ausstehenden Qualifikation. Rund 35 Spieler habe er im Kopf, wenngleich er keine Namen nannte. Klar sei aber: Wer in den kommenden Monaten regelmäßig nominiert wird, darf sich Hoffnungen auf eine Reise nach Nordamerika machen.
Kimmich soll zurück ins Zentrum
Besonders deutlich äußerte sich Nagelsmann zu einer Schlüsselpersonalie: Joshua Kimmich soll wieder im zentralen Mittelfeld agieren. „Auch wenn er auf der rechten Seite zuletzt stark war, brauchen wir ihn im Zentrum“, so der 37-Jährige.
Dort spiele Kimmich auch im Verein, und aufgrund der begrenzten Vorbereitungszeit sei Kontinuität auf dieser Position entscheidend. Das bedeute eine Umstellung im Spielsystem der DFB-Elf – mit mehr defensiv orientierten Kandidaten für die rechte Abwehrseite.
Mehr Körperlichkeit, weniger Hochglanz
Inhaltlich offenbarte Nagelsmann zudem eine strategische Kurskorrektur: Weniger Glanz, mehr Substanz. „Wir müssen in bestimmten Phasen wieder etwas rustikaler denken“, sagte er – nicht im Sinne von Rückschritt, sondern mit dem Fokus auf Stabilität.
Es gehe darum, die Null zu halten, ohne den Spielstil komplett zu opfern. „Nur lange Bälle und Kampf sind nicht mein Ansatz – aber defensive Disziplin gehört wieder mehr in den Fokus.“
Auf Kritik aus prominenter Ecke, etwa von Matthias Sammer, reagierte Nagelsmann verärgert. Die inhaltliche Auseinandersetzung sei legitim, meinte er, doch der Weg über Medien habe ihn enttäuscht. „Direkter Austausch wäre der ehrlichere Weg gewesen“, so der Bundestrainer.
Ter Stegen bleibt gesetzt – sofern er spielt
Ein klares Bekenntnis gab es zur Torhüterfrage: Marc-André ter Stegen bleibt die Nummer eins – unter einer Bedingung: „Wenn er fit ist und bei seinem Verein regelmäßig spielt.“
Nagelsmann hofft, dass ter Stegen nach seiner Rückenoperation bis zur WM wieder in Form ist. Eine Rückkehr von Manuel Neuer sei derzeit kein Thema. „Er spielt für meine Planungen aktuell keine Rolle“, stellte der Bundestrainer klar.
Rote Linien und Warnung an Rüdiger
Auch Antonio Rüdiger wurde thematisiert. Der Real-Verteidiger sei ein „leidenschaftlicher Verteidiger“, so Nagelsmann, doch Ausraster wie im spanischen Pokalfinale würden künftig nicht mehr toleriert. Es gebe klare Grenzen – und wer diese überschreite, gefährde seinen Platz im Team.
Offene Front in Barcelona: Fragezeichen rund um ter Stegen bleiben
Das größte Fragezeichen bleibt jedoch ter Stegens Klub-Zukunft. Beim FC Barcelona scheint er intern auf das Abstellgleis geraten zu sein – hinter den Neuzugängen Joan García und Wojciech Szczesny. Ein unabhängiges Tribunal soll nun klären, wie lange der Keeper ausfällt.
Für Barça könnte eine längere Ausfallzeit wirtschaftlich sogar hilfreich sein, doch dafür müsste ter Stegen seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Ob er dieses Spiel mitspielt, ist ungewiss.