Deutsches WM-Aus sorgt für skurrile für viele Diskussionen

Joachim Low
Joachim Low

Löw und Merkel müssen weg! Manche fantasieren einen politischen Zusammenhang in das Vorrundenaus hinein. Aber warum?

Nein, Mesut Özil war nicht der Grund. Gegen Südkorea brachte er gute Leistungen. Er wies die zweitmeisten Ballkontakte auf, gab die zweitmeisten Pässe ab und schaffte sieben Situationen für seine Mitspieler, in denen ein Tor hätte fallen können, so oft wie kein zweiter in der Nationalelf. Am schönsten Spielzug der Deutschen war Özil auch beteiligt, aber Timo Werner verschoss.

So sind die Fakten. Um die scheint es aber nicht mehr zu gehen. „Özil raus“ scheint in diese WM eine Standardparole geworden zu sein, ob am Stammtisch oder auf Social Media. Nicht nur Mario Basler und AfD-Politiker nutzen den Gelsenkirchener als Sündenbock. Damit offenbaren sie fußballerische Ahnungslosigkeit und dass sie großen Spaß daran haben, das Land zu spalten.

Schon lange geht es dabei nicht bloß um Sport, sondern darum, dass eine deutsche Nationalmannschaft, wo Kinder von Einwandererkindern eine wichtige Rolle spielen, scheitert. Schuld sind die Türken. So einfach kann man es sich machen.

Doch damit nicht genug. In mancher Region wird in das WM-Aus der Deutschen ein hanebüchener politischer Kontext hineinfabriziert. „Deutschland muss neu anfangen, ohne Jogi Merkel“, fordert Claus Strunz im Frühstücksfernsehen. Jogi Merkel, klar. Ein prägender Populismus.

Die Parallelen zwischen Joachim Löw und Angela Merkel existieren. So ist der Bundestrainer ab und zu im Kanzleramt, so wie die Kanzlerin sich auch auf der Eherentribüne blicken lässt. Sie mögen sich und bestiegen etwa zur selben Zeit ihr Amt. Bei sind leise Typen und zeigen eine Gelassenheit, gegen welche manche Stoiker hyperaktiv erscheinen.

Natürlich kann Sport politisch sein, denn darin spiegeln sich gesellschaftliche Tendenzen. So ist die deutsche Mannschaft ein buntes Abbild des Landes, in welchem wir leben. Wie sollte es auch anders sein? Absurd ist hingegen, sportlichen Misserfolg oder Erfolg auf die Politik zu projizieren. Freunde, es ist nur Fußball.

Dass das Vorrundenaus mit der Regierungskrise im Land zusammentrifft, ist Zufall. Warum die Flüchtlingsfragen schuld daran sind, dass Brand den Ball nicht ins Tor kriegt, müsste jemand mal erklären.

Die Fotos von Gündogan und Özil mit Recep Tayyip Erdogan waren nicht besonders schlau, auch das Schweigen danach darf kritisiert werden. Wer aber ernsthaft glaubt, diese Debatte hätte sich auf das Spiel ausgewirkt, der versteht nicht, wie ein Fußballteam tickt. Fußballern geht es vor allen Dingen darum, wie sie bis zum Strafraum der Gegner vordringen.

Aus dem WM-Aus politische Gleichzeitigkeiten abzuleiten, beispielsweise den Abschied von Merkel, ist nicht nur dämlich, sondern auch gefährlich. Dadurch wird Unwichtiges wichtig und Wichtiges unwichtig. So mag es Millionen Menschen faszinieren, dass die deutsche Mannschaft ins Achtelfinale kommt, spielt im Endeffekt aber keine Rolle. Ob hingegen eine Einigung beim EU-Gipfel gelingt, hat große Auswirkungen, die jeder Bürger spüren wird. Demnach müsste man eigentlich den EU-Gipfel auf der Fanmeile übertragen.

Dass es nicht dazu kommt, hat mit der Überhöhung des Sports in den letzten Jahren zu tun. Auch der DFB trug dazu bei, indem man sich als die vierte Staatsmacht ausgab. Auch die Medien. Die Entfremdung, den Wahnsinn hinter dem Konstrukt „Die Mannschaft“ nimmt der normale Fan wahr. Beim Misserfolg können Populisten mit diesem Gefühl spielen.

Vielleicht ist es also ganz gut, wenn der Fußball ein wenig an Luft verliert. Keine peinlichen Hashtags wie #Zsmmn oder #Bestneverrest. Kein Duschgel in Deutschlandfarben. Jetzt können alle mal runterkommen. Es ist tatsächlich nur Fußball.