Özil und Gündogan – es geht um mehr als den WM-Titel

Ilkay Gündogan kritisiert die Fußball Bundesliga
Foto: Dirk Vorderstraße / Flickr (CC BY-NC 2.0)

Seit vielen Wochen dreht es sich bei Gündogan und Özil nur noch um das eine Thema. Im Eklat um die Fotos der beiden Nationalspieler mit dem türkischen Präsidenten Erdogan schlagen die Wellen hoch. Jedoch handeln die Kritiker der Fußballer nicht immer aus ehrlichen Motiven. Zu großen Teilen handelt es sich um eine bigotte Aufregung.

Nur sechs Tage, bevor das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Meisterschaft 2018 gegen Mexiko startet, befindet sich der Deutsche Fußballbund (DFB) in Alarmbereitschaft. Denn die Pfiffe, welche sowohl Gündogan und Özil in den beiden vergangenen Spielen einstecken mussten, drohen tatsächlich, die Titelverteidigung zu gefährden. Die größte Ladung bekam Gündogan ab, der bei seiner Einwechslung gegen Österreich und gegen Saudi-Arabien bei nahezu jedem Ballkontakt ausgepfiffen wurde. Doch auch an Özil ging das Ganze nicht spurlos vorbei. Mittlerweile kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass diese Aktion nur noch die zwei Spieler betriff. Die gesamte Mannschaft leidet darunter.

Die Stimmung im Team ist am Boden, die Mittelfeldspieler sind durch die Unmutsbekundungen der Fans durchaus verunsichert. Dabei ist es unerlässlich für Bundestrainer Joachim Löw, die beiden England-Legionäre einzusetzen, um im Turnier erfolgreich zu sein.

Dass es sich bei der Affäre um die Fotos von Gündogan und Özil mit Recep Tayyip Erdogan, dem Präsidenten der Türkei, im Verlauf der Zeit um einen regelrechten Skandal handeln könnte, hat der Verband wohl unterschätzt. Man hatte gedacht, der Schulterschluss der deutschen Nationalspieler mit dem muslimischen Autokraten könnte mit ein paar Bildern vom (Gegen-)Treffen mit Frank-Walter Steinmeier, dem deutschen Bundespräsidenten, eingefangen werden.

Ebenso hat man hingenommen, dass sich die Spieler in dieser Affäre wie Özil gar nicht oder wie Gündogan nur ausweichend geäußert haben. Bislang gab es keine ernsthafte Erklärung für das werbewirksame Treffen mit dem türkischen Staatsmann. Das ist ein kritikwürdiges Vorgehen.

Integration selten fehlerfrei

Vor einigen Wochen hätte niemand gedacht, dass es so weit kommen würde, wie es jetzt ist. Nun wird ihre Aktion sogar von Parteien am rechten Rand instrumentalisiert. Denn mittlerweile steht fest, dass viele der Pfiffe nicht etwa auf das durchaus zweifelhafte Demokratieverständnis der beiden Fußballer mit Migrationshintergrund zielen, sondern auf ihre bloße Herkunft. Gündogan und Özil werden somit zu einer willkommenen Projektionsfläche für rassistische Vorurteile.

Natürlich kommt der Fall allen, die gegen eine multikulturelle Gesellschaft wettern, als gutes Beispiel für misslungene Integration entgegen. Aber das ist weder fair noch ehrlich, es ist bigott. Denn Integration ist oft anstrengend und nur selten gelingt sie ohne Fehler. Anstatt an dieser Stelle seinem Hass freien Lauf zu lassen, wäre es wichtig, sich die Problemfelder im Einzelnen anzusehen, um eine konstruktive Debatte anzuregen. Mit bloßen Schmähbotschaften hat man nur selten etwas zum Positiven verändern können.

Die beiden Nationalspieler, die zudem deutsche Staatsbürger sind, haben außerdem eine Verwurzelung in der Kultur ihrer Eltern – es ist eine Gratwanderung, die sie vollziehen. Eine Gratwanderung, bei der man durchaus ins Fettnäpfchen treten kann. Zweifellos war das Treffen mit dem türkischen Präsidenten ein Fehler, doch es ist kein Grund, zwei Karrieren so talentierter Fußballer zu zerstören. Denn diese stehen neben dem WM-Titel mittlerweile auf dem Spiel.