WM 2018: Deutschlands vorläufiger WM-Kader in der Analyse

FC Bayern: Comeback von Manuel Neuer verzögert sich
CosminIftode / Shutterstock.com

Bundestrainer Joachim Löw hat im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund den vorläufigen deutschen WM-Kader für Russland bekannt gegeben. 27 Spieler wurden nominiert. Davon müssen bis zum 4. Juni noch vier gestrichen werden. Manuel Neuer ist vorläufig dabei, Mario Götze dagegen nicht. Eine große Überraschung im Angriff: Nicht Sandro Wagner wurde von Löw berufen, sondern der Freiburger Nils Petersen. Auch Mario Gomez darf zunächst mit ins Trainingslager fahren. Außerdem gab der DFB bekannt, dass die Verträge von Joachim Löw und Oliver Bierhoff jeweils erneut verlängert wurden.

Am 4. Juni muss Löw seinen endgültigen Kader benennen. Aus dem vorläufigen Aufgebot, das in Dortmund bekannt gegeben wurde, werden noch vier Spieler gestrichen. Der aktuelle 27-Mann-Kader wird gemeinsam ins Trainingslager nach Eppan in Südtirol starten. Vom 27. bis 31. Mai wird auch die deutsche U-20-Nationalmannschaft zur A-Elf stoßen, um “spezifische Trainingseinheiten“ gemeinsam zu absolvieren. Auch ein Testspiel beider Teams ist geplant. Am 2. Juni haben die 27 Nominierten Gelegenheit, sich ein letztes Mal zu beweisen. In einem Testspiel in Klagenfurt geht es gegen Österreich, die sich nicht für die WM qualifizierten.

Das ist Löws vorläufiger deutscher WM-Kader

Tor:
Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Manuel Neuer (FC Bayern München), Kevin Trapp (Paris Saint-Germain), Bernd Leno (Bayer 04 Leverkusen)
Verteidigung:
Jerome Boateng, Mats Hummels, Joshua Kimmich, Niklas Süle (alle FC Bayern München), Jonas Hector (1. FC Köln), Antonio Rüdiger (FC Chelsea), Marvin Plattenhardt (Hertha BSC), Jonathan Tah (Bayer 04 Leverkusen), Matthias Ginter (Borussia Mönchengladbach)
Mittelfeld & Sturm:
Thomas Müller, Sebastian Rudy (beide FC Bayern München), Timo Werner (RB Leipzig), Toni Kroos (Real Madrid), Marco Reus (Borussia Dortmund), Sami Khedira (Juventus Turin), Mesut Özil (FC Arsenal), Leroy Sané (Manchester City), Julian Brandt (Bayer 04 Leverkusen), Julian Draxler (Paris Saint-Germain), Ilkay Gündogan (Manchester City), Leon Goretzka (FC Schalke 04), Mario Gomez (VfB Stuttgart), Nils Petersen (SC Freiburg)

Die Entscheidungen seien nicht leicht gefallen, so Löw in Dortmund: “Mein Job als Bundestrainer ist es, leider auch manchmal Träume platzen zu lassen. Ich entscheide nie gegen den Spieler, sondern für die Mannschaft. Es hängt manchmal an Kleinigkeiten. Die Entscheidungs-Kriterien sind die sportliche Qualität, das ist eine zentrale Rolle, und dass die Mannschaft auf und außerhalb des Platzes funktionieren muss”. Erwartungsgemäß steht z.B. Emre Can vom FC Liverpool nicht im Kader. Der defensive Mittelfeldspieler leidet seit März an Rückenproblemen. Aus Verletzungsgründen waren auch Lars Stindl von Borussia Mönchengladbach und Serge Gnabry von der TSG Hoffenheim bereits ausgefallen.

Ilkay Gündogan und Mesut Özil, die für ihre Fotos mit Türkeis Präsident Erdogan heftig kritisiert wurden, stehen beide im Aufgebot. DFB-Präsident Reinhard Grindel (56) sagte hierzu: „Menschen können Fehler machen.“ Team-Manager Oliver Bierhoff hatte zuvor schon mit den Spielern gesprochen. Bierhoff sagte, dass „so eine Symbolwirkung nicht gewünscht“ sei. Bemerkenswert ist, dass Emre Can ein solches Treffen und Foto abgelehnt hatte.

Manuel Neuer ist dabei – vorläufig

In den vorläufigen WM-Kader berief Löw Torhüter Manuel Neuer (32), der seit September 2017 kein Pflichtspiel mehr absolvierte. Ob ihn Bayern-Trainer Jupp Heynckes ausgerechnet im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt einsetzen wird? Fraglich. In Südtirol hat der Bundestrainer Gelegenheit, sich selbst ein Bild von Neuers Fitnesszustand zu machen.

Über die Situation im Tor sagte Löw: “Wir haben vier Torhüter nominiert. Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Gesundheit der Spieler, aber auch gegenüber den Fans. Die Frage ist, kann er die WM spielen oder nicht. Da müssen beide Seiten ehrlich zueinander sein. Manuel sagt, er kann voll belasten. Er ist unser Kapitän. Aber ohne Spielpraxis kann man eben keine WM spielen. Er trainiert jetzt bei Bayern, dann bei uns. Ende Mai werden wir ein offenes Gespräch miteinander führen.” Das klang schon fast so, als würde er eine Streichung von Neuer bereits rechtfertigen. Dann wäre Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona die neue Nummer 1. Bernd Leno hätte den Status der Nummer 2 inne. Kevin Trapp würde voraussichtlich als Nummer 3 in das Turnier gehen.

Götze und Wagner schauen in die Röhre – Überraschung durch Petersen

Dass Julian Weigl und André Schürrle nicht zum vorläufigen WM-Kader zählen würden, hatte sich bereits abgezeichnet. Doch auch Team-Kollege und Final-Torschütze von 2014 Mario Götze steht nicht im vorläufigen Kader. Die Saison mit Borussia Dortmund lief zu wechselhaft. In der Nationalmannschaft sind einige Spieler an ihm vorbeigezogen.

Marco Reus steht allerdings im vorläufigen Aufgebot und darf sich wohl auf sein erstes großes Turnier mit der Nationalmannschaft freuen. Er war zuletzt einer der wenigen konstant guten Spieler im Team von BVB-Trainer Peter Stöger. Nach längerer Verletzungspause hatte er sich in Windeseile wieder in Form geschossen. Löw sagte über den Dortmunder: “Bei Marco Reus bin ich glücklich, dass er ohne Verletzungen die letzten Woche gespielt hat. Marco hat eine Gabe, etwas ganz besonderes. Er steht bei uns für außergewöhnliche Dinge.” Ausgerechnet in Dortmund nominierte Joachim Löw mit Reus nur einen einzigen BVB-Spieler.

Immer wieder wurde diskutiert, ob Sandro Wagner (FC Bayern München) oder Mario Gomez (VfB Stuttgart) für den Angriff nominiert werden. Man war der Auffassung, dass Löw nur eine „echte“ Spitze mitnehmen wird. Nun herrscht Klarheit: Löw nominierte den Stuttgarter Gomez in den vorläufigen Kader. Wagner, der in der Winterpause von Hoffenheim nach München gewechselt war, wird das Turnier vor dem TV verfolgen müssen. Für die wahre Überraschung sorgt aber ein Freiburger: Es wurde tatsächlich ein zweiter „Neuner“ nominiert. Doch dabei handelt es sich nicht um Wagner, sondern um Nils Petersen (29) vom SC Freiburg, der in der abgelaufenen Spielzeit 15 Treffer erzielte. Löw war am vergangenen Samstag beim Spiel Freiburg gegen Augsburg im Stadion.

Petersen absolvierte zwar noch kein A-Länderspiel, gewann aber vor zwei Jahren mit der deutschen Olympia-Auswahl in Rio de Janeiro die Silber-Medaille. Petersen wurde mit sechs Toren gar Torschützenkönig des Turniers (vor Neymar). Gut möglich, dass er als Joker mit nach Russland fahren darf. Petersen ist der Spieler mit den meisten Joker-Treffern in der Bundesliga-Historie. Bei der Bekanntgabe in Dortmund sagte Löw über Petersen: “In Freiburg hat er 15 Tore erzielt. Immer, wenn ich ihn gesehen habe, hat er einen sehr fitten Eindruck gemacht. Er ist ein toller Joker. Von ihm verspreche ich mir einiges.” Klingt nicht unbedingt danach, als würde Petersen nur als Tourist ins Trainingslager nach Südtirol fahren.

Die WM kommt mit großen Schritten – der Fahrplan des DFB

Am 2. Juni haben die 27 Spieler des vorläufigen Kader also die letzte Chance, sich zu beweisen. Nur zwei Tage nach dem Testspiel gegen Österreich wird Joachim Löw seinen endgültigen 23-Mann-Kader berufen. Vier Spieler muss Löw also noch aussortieren. Neben einem Torwart gelten aktuell Jonathan Tah (Bayer Leverkusen), Sebastian Rudy (FC Bayern München), Julian Brandt (Bayer Leverkusen) und Nils Petersen (SC Freiburg) noch als Wackelkandidaten.

Am 8. Juni steht für das DFB-Team der finale Test auf dem Programm. Gegen Saudi-Arabien absolviert „Die Mannschaft“ ein Freundschaftsspiel in der BayArena in Leverkusen. Am 12. Juni reist das Team nach Russland und wird in Vatutinki in der Nähe von Moskau campieren. Im Moskauer Luschniki-Stadion wird das Team von Bundestrainer Joachim Löw am 17. Juni (17.00 Uhr – MESZ) gegen Mexiko das erste WM-Gruppenspiel bestreiten. Am 23. Juni geht es in Sotschi gegen Schweden. Das abschließende Gruppenspiel findet am 27. Juni in Kasan gegen die Mannschaft von Südkorea statt.

Paukenschlag: Vertragsverlängerungen mit Löw und Bierhoff

Vor der Bekanntgabe des vorläufigen WM-Kaders hat es eine Überraschung gegeben. DFB-Präsident Reinhard Grindel gab bekannt, dass der Vertrag mit Bundestrainer Joachim Löw bis zur WM 2022 in Katar verlängert wurde. Der Kontrakt von Team-Manager Oliver Bierhoff wurde gar bis zum Jahr 2024 ausgedehnt. Seit 2004 arbeiten Löw und Bierhoff äußerst erfolgreich für den DFB. Löw ist seit 2006 alleiniger Chef-Coach der Nationalmannschaft. 2022 wäre er 16 Jahre als Chef tätig. Nur Sepp Herberger (20 Jahre) hätte mehr auf dem Buckel gehabt.