Joachim Löw und seine Stresssignale

Joachim Low
Joachim Low

Haare durchfahren, Hände reiben und Lippen lecken: Beim knappen Sieg gegen die Schweden beweist Löws Körpersprache, wie sehr er von der momentanen Leistung des Teams emotional gefordert ist. Aber ein Merkmal weist er nicht auf – und das ist gut.

Niemand weiß so genau, was Löw seinem Kader in der Halbzeitpause sagte. Er soll an die Spieler appelliert haben, sich zu beruhigen und starke Nerven zu behalten, erklärte Löw im Anschluss. Das ist jedenfalls die offizielle Version. Dabei standen Ärger und Unzufriedenheit dem Bundestrainer zur Halbzeitpause ins Gesicht geschrieben.

Dirk W. Eilert, bekannt als Kenner der emotionalen Intelligenz und als „Gesichterleser“, hat Löws Mimik analysiert. Hierzu hat er sich die Körpersprache des Bundestrainers angesehen: Nach dem Gegentor, beim Gang zur Halbzeit, nach dem Ausgleich und dem Siegtreffer.

Die Analyse im Wortlaut

Trotz gutem Start der Mannschaft, merkte man Joachim Löw die Anspannung und den Stress an. Er zeigte viele Stresssignale, fast in jeder Szene leckte er sich die Lippen, rieb sich die Hände oder griff sich ins Gesicht.

Nach dem Treffer der Schweden erlebte Löw einen emotionalen Tiefschlag. Gesenkter Blick, Mundwinkel runter: Das kann auf Trauer hinweisen, vielleicht auf Entmutigung. Eingerahmt war dieser Ausdruck wiederum von vielen Stressignalen wie Lippen lecken und Kratzen im Gesicht.

Auch als Löw nach dem Pfiff zur Halbzeit in die Kabine ging, sprach seine Körpersprache deutlich: Er fasste sich ins Gesicht, leckte seine Lippen, steifer Gang, aber trotzdem kraftvoll.

Alle diese Signale weisen auf eine hohe Anspannung hin. Die geballte Faust indiziert kontrollierten Ärger. Der nach unten gerichtete Blick hingegen ist dafür untypisch für Ärger. Viel mehr deutet es auf Enttäuschung hin.

Mit dieser Mischung aus Enttäuschung und Ärger ging Löw in die Kabine. Vielleicht war es genau diese ausgleichende Mischung (der impulsive Ärger und die erdende Enttäuschung) und Löws ruhige Art zu reagieren, die essenziell für den Erfolg waren.

Scheinbar ist es ihm in der Kabine gelungen, den Schalter umzulegen. Vielleicht auch dank der motivierenden Körpersprache von Neuer. In der zweiten Halbzeit war mehr von der Leidenschaft und Motivation der Deutschen zu spüren.

Studien belegen: Drückt man Ärger respektvoll aus, kann er leistungsfördernd wirken. Denn er kann uns auf wichtige Ziele fokussieren und die Handlungsenergie erhöhen.

Im anschließenden Interview schürzte Löw die Lippen – als nonverbales Einwandsignal, mit dem er Delling widersprach: „Fehlpässe hatten wir heute deutlich weniger als gegen Mexiko.“

Dabei legte er den Kopf leicht in den Nacken – auf diese Weise wehrte er auch mit seiner Körpersprache jedwede Kritik von Delling ab und schützte seine Mannschaft. Die nonverbalen Signale beweisen also, dass er zwar unter Strom steht, sich aber trotzdem auf die positive Entwicklung des Teams fokussiert.

Erkennen kann man das auch daran, dass er nach dem Spiel im ersten Interview schon lachen konnte. Er zeigte ein Lächeln, bei welchem auch die Augen strahlten. Diese Augenbeteiligung ist essenziell für echte Freude.

Die restliche Körpersprache des Trainers lässt eine weitere Leistungssteigerung der deutschen Nationalelf erhoffen – und am Ende bewährt sich hoffentlich die These, dass Deutschland eine Turniermannschaft ist. Vielleicht können wir beim Bundestrainer dann noch mehr nonverbale Ausdrücke, die Triumph signalisieren, sehen. Zu wünschen wäre es ihm.