
Mit einem prall gefüllten Stadion, einer Stadt im Fußballrausch und einem Coach, der mittlerweile als Held gefeiert wird, startet Arminia Bielefeld in die neue Saison der 2. Bundesliga. Nach dem Aufstieg als Drittliga-Meister und einem spektakulären Lauf bis ins DFB-Pokal-Finale ist die Euphorie auf der Alm greifbar.
Der Blick richtet sich nun nicht nur nach oben – mancher Fan träumt bereits lautstark vom Durchmarsch in die Bundesliga. Doch wie realistisch ist dieses ambitionierte Ziel?
Vom Abstiegskandidaten zum Aufstiegsträumer
Noch vor zwei Jahren stand der Klub am Abgrund. Die Arminia taumelte damals Richtung Regionalliga, das Stadion war halbleer, der Glaube an den Verein beinahe erloschen. “Damals musste man den Pfiffen folgen, um mich auf dem Platz zu finden”, erinnert sich Trainer Mitch Kniat an seine schwierigen Anfänge in Bielefeld. Heute folgen ihm Applaus und Lobeshymnen. Kein Wunder: Mit Aufstieg und Pokalfinale hat er dem Verein eine neue Identität gegeben.
Die Erfolge der vergangenen Saison sind beeindruckend. Bielefeld dominierte die 3. Liga körperlich und mental, auch wenn nicht jedes Spiel fußballerisch ein Leckerbissen war. Dazu kam der spektakuläre Pokallauf, bei dem die Arminia unter anderem Erstligisten wie Union Berlin und Bayer Leverkusen ausschaltete – und erst im Finale vom VfB Stuttgart gestoppt wurde.
Die Euphorie wächst – aber auch die Erwartungen
Kniat hat in Bielefeld eine Einheit geschaffen, die Fans, Spieler und Verantwortliche hinter sich vereint. Der Trainer, der zusammen mit den Geschäftsführern Christoph Wortmann und Michael Mutzel seit 2023 den Umbruch vorantreibt, spricht von „etwas ganz Besonderem“. Die Nachfrage nach Dauerkarten explodiert, das Auftaktspiel gegen Fortuna Düsseldorf ist ausverkauft – nicht Mitaufsteiger Dynamo Dresden, sondern Arminia Bielefeld steht zum Zweitliga-Auftakt im medialen Fokus.
„Es ist gerade einfach alles richtig gut“, sagt Kniat, der zum ersten Mal als Cheftrainer in der 2. Liga an der Seitenlinie stehen wird. Seine Mannschaft soll den Schwung aus dem Aufstiegsjahr mitnehmen. „Wir wollen das, was uns stark gemacht hat – Laufbereitschaft, Teamgeist, Härte – erneut auf den Platz bringen.“
Schmerzhafte Abgänge, kluge Verstärkungen
Doch nicht alles läuft reibungslos. Mit Louis Oppie (zu St. Pauli) und Marius Wörl (zurück zu Hannover 96) haben zwei zentrale Spieler das Team verlassen – ihre Qualität und Mentalität werden fehlen. Dennoch glauben die Verantwortlichen an den Kader. „Wir sind überzeugt, dass wir das kompensieren können“, sagt Sport-Geschäftsführer Mutzel.
Mit Marvin Mehlem wurde ein technisch versierter Mittelfeldspieler verpflichtet, der dem Spiel Struktur und Kreativität verleihen soll. Der 27-Jährige bringt Bundesliga-Erfahrung aus Darmstadt mit und war zuletzt Stammspieler beim SC Paderborn. Auch Tim Handwerker, ein erfahrener Linksverteidiger mit Erst- und Zweitliga-Historie, soll die Defensive stabilisieren.
Dennoch: Vor allem im Sturm ist noch Bedarf. Julian Kania, letztjähriger Toptorjäger, braucht dringend Unterstützung. Aktuell steht mit Kapitän Manuel Corboz ein Mittelfeldspieler auf Rang zwei der internen Torjägerliste – ein klares Zeichen, dass hier noch nachgebessert werden muss.
Durchmarsch oder Durchhalteparolen?
Bei aller Aufbruchsstimmung ist klar: Die 2. Liga ist kein Selbstbedienungsladen. Mit Schwergewichten wie Schalke, Bochum, Kiel, Düsseldorf, Hannover, Hertha oder Nürnberg wartet ein ganz anderes Niveau. Viele Mannschaften sind finanziell besser aufgestellt, personell breiter besetzt und haben mehr Erfahrung.
Und doch: Arminia bringt Tugenden mit, die oft den Unterschied machen. Fitness, Mentalität, Teamgeist – darauf baut auch Kapitän Corboz: „Wir müssen das fitteste Team der Liga sein. Wenn wir das sind, haben wir gegen jeden eine Chance.“
Bundesliga-Traum erlaubt – aber nicht selbstverständlich
Die Fans dürfen träumen, und das zu Recht. Die Entwicklung unter Mitch Kniat ist beeindruckend, die Atmosphäre in der Stadt elektrisierend. Doch sportlich bleibt der direkte Durchmarsch in die Bundesliga eine Herkulesaufgabe. Ohne Torgarantie im Sturm und mit dem Verlust wichtiger Spieler ist realistische Zielsetzung gefragt.
Ein Platz im oberen Drittel wäre schon ein großer Erfolg – alles andere ist Bonus. Aber in Bielefeld weiß man mittlerweile: Fußballwunder sind möglich. Warum also nicht noch eins?